„Die SEL ist verbindlich umzusetzen“

02.06.2023 / Lesezeit: 6 Minuten

Henrik Götz, Leiter des Fachgebiets Recht, im Interview nach Abgabe des Planfeststellungsantrags im Abschnitt Mannheim - Hüffenhardt.
 

Henrik Götz ist Leiter des Fachgebiets Recht bei terranets bw. Der zugelassene Rechtsanwalt arbeitet seit 15 Jahren im Gastransportunternehmen. Im Abschnitt der SEL von Mannheim bis nach Hüffenhardt ist er zudem die Stellvertretung von Projektleiterin Maren Raubenheimer. Im Interview spricht er über die Bedeutung des Planfeststellungsantrags und welche Verfahrensschritte dieser einleitet.


Herr Götz, wofür sind Sie als Leiter Recht bei terranets bw zuständig?
Die Rechtsabteilung ist grundsätzlich zuständig für die klassische Juristerei, das heißt Rechtsberatung, Rechtsgestaltung und Rechtsvertretung. Auf der anderen Seite haben wir in der Rechtsabteilung auch die sogenannten Wege- und Leitungsrechte, also die Vereinbarungen über die Nutzung von Grundstücken für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen und Anlagen durch terranets bw. Wir vereinbaren, verwalten und verteidigen diese Leitungsrechte für terranets bw.


Welche Aufgaben leiten sich dadurch für Sie im Planungsprozess der SEL ab?
Im Abschnitt von Mannheim bis nach Hüffenhardt leite ich vor allem das Teilprojekt Recht und Wegerecht. Ich mache also ganz klassisch das, was ich in der Rechtsabteilung auch tue. Unsere Aufgabe ist es, sämtliche Leitungs- und Wegerechte für die gesamte Trasse einzuholen. Bei der SEL sprechen wir hier von mehreren 1000 privaten und öffentlichen Grundstücken, die für den Bau und Betrieb der Leitung in Anspruch genommen werden. Mit den Eigentümerinnen und Eigentümern schließen wir ebenso wie mit den Bewirtschafterinnen und Bewirtschaftern Vereinbarungen ab, um einen reibungslosen Betrieb der Leitung zu gewährleisten. Denn das ist der gesetzliche Auftrag der terranets bw: mit ihrer Transportinfrastruktur die sichere Versorgung zu gewährleisten.


Sie schließen „beschränkte persönliche Dienstbarkeiten“ ab. Können Sie erklären, was das bedeutet?
Das ist ein Recht, das ins Grundbuch eingetragen wird, wie zum Beispiel auch eine Grundschuld oder Hypothek. Es räumt dem Berechtigten, also terranets bw, das Recht ein, eine Leitung zu verlegen, dauerhaft dort zu belassen, Maßnahmen für deren Instandhaltung umzusetzen und dafür das Grundstück zu betreten. 


Wann beginnen Sie mit den Eigentümerinnen und Eigentümern zu verhandeln?
Bisher haben wir nur mit den Eigentümerinnen und Eigentümern gesprochen, bei denen wir Vorarbeiten wie zum Beispiel Baugrunduntersuchungen durchgeführt haben. Nach Beginn des Planfeststellungsverfahrens kontaktieren wir alle Betroffenen. Dann beginnt die eigentliche Beschaffung der Wege- und Leitungsrechte.


Sie haben den Planfeststellungsantrag am 02. Juni 2023 beim Regierungspräsidium Karlsruhe eingereicht. Welche Bedeutung hat dieser Meilenstein?
Mit der Abgabe des Antrags stoßen wir die Eröffnung des Planfeststellungsverfahrens an. Spätestens zwei Wochen nach Abgabe des Antrags startet die zuständige Genehmigungsbehörde das Verfahren mit formeller Öffentlichkeitsbeteiligung. Am Ende mündet das Verfahren in einen Planfeststellungsbeschluss, der Genehmigung für den Bau und Betrieb der SEL, den das Regierungspräsidium Karlsruhe erlässt. Für den Abschnitt von Mannheim bis nach Hüffenhardt haben wir in den vergangenen zwei Jahren eine frühe Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt. Wir waren im intensiven Austausch mit Kommunen, Flächenbewirtschafterinnen und -bewirtschaftern und Umweltverbänden. Anhand der Ergebnisse dieser Gespräche und unseren Erkenntnissen aus Baugrund- oder Umweltuntersuchungen haben wir den aus unserer Sicht sinnvollsten, grundstücksscharfen Trassenverlauf ermittelt. Für diesen Verlauf haben wir jetzt die Planfeststellung beantragt.


Warum ist das Planfeststellungsverfahren von großer Bedeutung?
Das Besondere am Planfeststellungsverfahren ist, dass es alle notwendigen Genehmigungen für das Bauvorhaben bündelt. Sei es die normale Baugenehmigung nach Landesbauordnung, umweltrechtliche Genehmigungen, FFH- und sonstige Ausnahmegenehmigungen oder wasserrechtliche Genehmigungen. All diese Einzelentscheidungen werden in diesem einen Verfahren getroffen. Der finale Beschluss wird dann durch das Regierungspräsidium Karlsruhe erlassen.


Haben Bürgerinnen und Bürger weiterhin die Gelegenheit, Stellung zu den Planungen zu beziehen?
Ja, haben sie. Die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung gilt als informelle Beteiligung vor dem Verfahren, durchgeführt von terranets bw. Im jetzt beginnenden Planfeststellungsverfahren findet die formelle Beteiligung über das Regierungspräsidium Karlsruhe statt. Es ist die letzte Gelegenheit innerhalb bestimmter Fristen, eine Stellungnahme abzugeben oder Einwände zu erheben.


Wo können Interessierte die Antragsunterlagen einsehen?
Wenn das Regierungspräsidium Karlsruhe das Verfahren offiziell eröffnet hat, liegen die Ordner mit den Antragsunterlagen einen Monat in den Rathäusern der Städte und Gemeinden aus, die von der SEL betroffen sind. In aller Regel stellt das Regierungspräsidium Karlsruhe die Unterlagen auf ihren Webseiten auch online bereit. 


Wie und bei wem können Bürgerinnen und Bürger dann Stellung beziehen?
Jeder, dessen Belange durch das Vorhaben berührt werden, kann bis zu vier Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist schriftlich oder zur Niederschrift bei der Anhörungsbehörde oder bei der Gemeinde Einwendungen gegen den Plan erheben. Es wird im Verfahren dann einen oder mehrere Anhörungstermine geben, in denen wir, das Projektteam, mit der Projektleitung und den beauftragten Ingenieurbüros anwesend sein werden. In dem Termin können die Anregungen und Einwendungen vorgetragen werden und wir haben die Gelegenheit, darauf zu reagieren.


Nun lag für dieselbe Planungsregion bereits 2006 ein gültiger Planfeststellungsbeschluss vor. Warum braucht es jetzt einen neuen Beschluss?
Damals wurde der Planfeststellungsbeschluss von den damaligen Vorhabenträgern nicht umgesetzt, die SEL wurde damals nicht gebaut. Jene Beschlüsse haben zehn Jahre Bestandskraft, folglich verlor er seine Gültigkeit im Jahr 2017. Für den neuen Beschluss haben wir auf den alten Planungen aufgesetzt, konkret auf dem ermittelten Trassenkorridor. Die Erkenntnisse von damals sind ein guter Fingerzeig, welcher Trassenverlauf am günstigsten und raumverträglichsten ist.


Gibt es dennoch größere Unterschiede zwischen der alten und neuen Planung?
Ja. Wir haben entlang des Trassenverlaufs einige Optimierungen umgesetzt. Den sensiblen Bereich der Weinberge bei Heidelberg werden wir mittels eines Bohrverfahrens unterirdisch queren. So können wir die Weinanbauflächen der dortigen Winzer:innen vollständig unberührt lassen. Das ist sicherlich einer der größten Unterschiede neben einigen weiteren, wo wir von der ursprünglichen Variante abweichen um den Abstand zur Bebauung zu vergrößern oder weil sich beispielsweise Bebauungen verändert haben.


Ein großer Unterschied im Verfahren ist, dass es 2006 noch keine frühe Öffentlichkeitsbeteiligung gab.
Das stimmt. Die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung ist ein relativ neues Instrument, das im Verwaltungsrecht eingeführt worden ist. Wir bei terranets bw haben sie im Abschnitt Mannheim-Hüffenhardt schon zum zweiten Mal durchgeführt – zuletzt bei der Neckarenztalleitung im Raum Ludwigsburg, die Ende 2022 in Betrieb ging.


Während der Beteiligung wurde oft die Bedarfsfrage thematisiert. Angesichts der Energie- und Klimakrise stellen sich viele die Frage, ob es eine neue Gasleitung brauche. Sie haben die sogenannte energiewirtschaftliche Begründung geschrieben, die Bestandteil des Planfeststellungsantrags ist. Wie begründen Sie die SEL?
Grundsätzlich ist die SEL als Projekt im Netzentwicklungsplan Gas enthalten, der von der Bundesnetzagentur genehmigt wird. Damit ist sie laut Energiewirtschaftsgesetz nach wie vor verbindlich umzusetzen. Sie wird benötigt, um den weiter steigenden Gastransportbedarf in Baden-Württemberg zu decken und insbesondere die dort geplanten Gaskraftwerke zu versorgen. Die Bedarfsmeldungen der bei terranets bw direkt angeschlossenen Netzbetreiber haben gezeigt, dass sich die Nachfrage in der letzten Zeit kaum verändert hat. Nach dem Angriffskrieg auf die Ukraine kommt das Gas nun nicht mehr aus Russland, sondern künftig vermehrt aus Norwegen oder über LNG-Terminals. Die Veränderung der Bezugsquellen und -routen berücksichtigt die Aktualisierung des Netzentwicklungsplans. Die Notwendigkeit für den Bau der SEL bleibt jedoch bestehen.


Was sind nach Abgabe des Planfeststellungsantrags nun die nächsten Schritte im Projekt?
Wenn das Regierungspräsidium Karlsruhe das Verfahren offiziell eröffnet hat, bereiten wir uns auf die Vorstellung der Detailplanung in den betroffenen Städten und Gemeinden und die Anhörungstermine vor.  Während des Verfahrens bereiten wir uns schon in erheblichem Umfang auf die Bauphase vor. Das heißt, wir werden vorher schon Material bestellen, die Rohre bestellen und die entsprechenden Arbeiten ausschreiben. So können wir zeitnah an den Beschluss mit dem Bau der Leitung beginnen. Und wir gehen wie angekündigt auf alle Betroffenen zu, um Vereinbarungen über die Nutzung öffentlicher und privater Grundstücke abzuschließen.


Was glauben Sie, wie lange wird jetzt das Genehmigungsverfahren brauchen?
Wir planen ungefähr mit anderthalb Jahren Laufzeit.
 

Herr Götz, vielen Dank für das Gespräch. 

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