28.10.2021 / Lesezeit: 7 Minuten

Insbesondere die Planungen des Abschnittes im Regierungsbezirk Karlsruhe werden vom Dialog geprägt sein. Im transparenten Austausch mit den Kommunen, Interessensverbänden, den Bürger:innen und weiteren Akteuren wirbt terranets bw um eine möglichst hohe Akzeptanz für die Trassenführung.

In den unterschiedlichen Dialogformaten gehen Mitarbeiter:innen, die sich im Projekt engagieren, in den direkten Austausch vor Ort.

Eine von ihnen ist Maren Raubenheimer. Die 38-jährige aus dem Harz ist seit diesem Jahr die Projektleiterin für den Abschnitt Mannheim – Hüffenhardt. Sie ist studierte Bauingenieurin und beschäftigte sich nach ihrem Studium zunächst mit Hochwasserschutzanlagen im Bremer Umland sowie dem Sicherheits- und Gesundheitsschutz während der Bauphase von Offshore-Windparks. Später war sie beim Ausbau und dem regulären Betrieb von Offshore-Windparks in verschiedenen Positionen tätig, sowohl national als auch international.

 

Frau Raubenheimer, wie würden sie sie Aufgaben einer Projektleiterin im Gasleitungsbau beschreiben?

Kurz und knackig formuliert: Ich muss mein Projekt im möglichst besten Verhältnis von Kosten und Zeit in der vom Unternehmen geforderten Qualität umsetzen. Um das zu erreichen ist das Projektteam aus internen und externen Kollegen*innen extrem wichtig, alle müssen mitziehen. Meine Aufgabe ist es daher auch die Arbeit jedes Projektmitglieds wertzuschätzen und zu unterstützen. Ich habe ein tolles Projektteam und ich bin mir sicher, dass wir das Projekt gemeinsam erfolgreich meistern.

 

Das ist bei einem Großprojekt wie der Süddeutschen Erdgasleitung eine verantwortungsvolle Position. Welche Fähigkeiten sollte man in Ihrem Job besitzen?

Man muss in jedem Fall die Ruhe bewahren können, es läuft in den seltensten Fällen alles nach Plan. Auch im Dialog mit den Menschen ist es wichtig, sich Argumenten auf sachlicher Ebene zu öffnen und in der Lage zu sein, seine eigene Position anzupassen.

 

Was betrachten Sie innerhalb dieses Aufgabenspektrums als Ihre größte Herausforderung?

Das ist die Kommunikation und der Dialog. Ich bin Ingenieurin, ich denke technisch, muss aber auch verstehen wie Nicht-Techniker*innen die Situation beurteilen und mich in ihre Lage versetzen. Dabei hilft mir der enge Austausch mit Kolleginnen und Kollegen unterschiedlicher Disziplinen und Abteilungen, die für eine vielschichtige Perspektive sorgen.

 

Sie sind aus Norddeutschland Richtung Süden gezogen. Wie nehmen Sie die Menschen hier im Diskurs wahr?

Im Norden musste man sich die Freundlichkeit der Anderen „erarbeiten“. Das rührt wohl daher, dass die Norddeutschen eher wortkarg sind. Im Süden sieht das anders aus. Die Menschen hier in Baden-Württemberg sind herzlicher, strahlen beim ersten Kennenlernen mehr Wärme aus. Schon auf den vielen Dienstreisen in den Süden in den letzten Jahren habe ich mich schnell heimisch gefühlt.

Was schätzen Sie an Ihrem neuen Arbeitgeber terranets bw?

Mein vorheriger Arbeitgeber beschäftigte rund 24.700 Mitarbeitende, hier bei terranets bw sind es rund 300. Diese familiäre Atmosphäre, die kurzen Wege, die Freundlichkeit und Verbindlichkeit untereinander macht terranets bw aus und ich hoffe, dass das auch die Menschen in der Region spüren.

Bei terranets bw wurde mir die Möglichkeit gegeben, mich beruflich weiterzuentwickeln und mein erstes großes Infrastrukturprojekt von Anfang bis Ende umzusetzen.

 

Kommen wir konkret zu Ihrem Projekt, dem zweiten Abschnitt der SEL zwischen Mannheim und Hüffenhardt. In welcher Projektphase befinden wir uns?

Hier befindet sich terranets bw noch in einer frühen Planungsphase. Wir haben die Planung von dem vorherigen Vorhabenträger übernommen. Weil der Ausbau der Gastransport-Infrastruktur für die sichere Energieversorgung dringend notwendig ist und dieser mit der Übernahme der Planung effizient umgesetzt werden kann. Für diesen Leitungsverlauf gab es bereits eine Planfeststellung, die 2016 ausgelaufen ist. Das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens für die Trasse, die sogenannte Raumordnerische Beurteilung, hat aber noch Bestand. Darauf basierend schauen wir uns an, ob es in den letzten fünf Jahren zu Bebauungen in dem Bereich gekommen ist und ob wir die alte Trassenführung optimieren können. Die Befliegung und Vermessung des Trassenkorridors hat bereits im Frühjahr stattgefunden. Eine Baugrunderkundung sowie eine Umweltverträglichkeitsprüfung folgen. Wir schauen uns die Rahmenbedingungen an und sprechen mit den Bürger:innen vor Ort, um dann wieder zu einer grundstücksscharfen Trassenführung zu kommen.

 

Wo sehen Sie die kritischsten Punkte des gesamten Projekts?

Das ist die Phase, in der wir uns gerade befinden. Der Weg zum Planfeststellungsbeschluss für die Trassenführung. Wir prüfen u.a. die Umweltverträglichkeit und die technische Machbarkeit, gehen in den Dialog, sammeln Hinweise, Einwände, werten aus, schauen ob und wie wir die Informationen in unsere Planungen einfließen lassen können.

Das jetzt alles unter einen Hut zu bringen, ist eine große Herausforderung. Aber unser Ziel, die Versorgungssicherheit der Region bei steigenden Bedarfen sicherzustellen, ist zugleich eine große Motivation.

Welche Bedenken und Vorbehalte nehmen Sie bei den Menschen aktuell wahr?

Die häufigste Frage ist, ob es in der heutigen Zeit wirklich noch eine Erdgasleitung braucht. Danach kommen Sicherheitsbedenken und die Sorge, dass landwirtschaftliche Fläche unwiederbringlich zerstört wird.

 

Wie begegnen Sie diesen?

Unterschiedlich. Bei der Frage, ob diese Erdgasleitung in der heutigen Zeit wirklich benötigt wird, ist der bis 2030 steigende Bedarf an Gastransport um 30 % hervorzuheben. Das können wir mit unserem bestehenden Netz nicht mehr abbilden. Die Prognose kommt von Marktbefragungen und ist von der Bundesnetzagentur bestätigt – in der Bedarfssteigerung ist der Ausstieg aus Atom- und Kohlestrom und die damit verbundene Umstellung auf Erdgas enthalten. Perspektivisch muss Erdgas und Wasserstoff eine Zeit lang parallel transportiert werden – daher wird die Leitung wasserstofftauglich ausgelegt.

Bei der Frage nach der Sicherheit der Leitung, ist herauszustellen, dass die Transportnetze sehr gut gesichert sind. Bei terranets bw gab es noch keinen größeren Störfall. Das Dispatching, die Leitwarte bei terranets bw, arbeitet rund um die Uhr, um im Ernstfall sofort koordinierend eingreifen zu können. Die Kolleginnen und Kollegen von den verschiedenen Betriebsanlagen vor Ort sorgen mit ihrem Know-How und ihrer hohen Motivation dafür, dass eine kontinuierliche Wartung und wenn notwendig Instandsetzung umgesetzt wird. Die Kolleginnen und Kollegen vom Betrieb werden daher von Beginn an eingebunden, sind Bestandteil des Projektteams.

Nach der Verlegung der Leitung dürfen im sogenannten Schutzstreifen – 5m rechts und links der Leitung – keine baulichen Anlagen errichtet werden. Eine landwirtschaftliche Nutzung, wie der ganz normale Ackerbau, Obst- und Weinanbau, ist nach der Leitungsverlegung weiterhin möglich. Je nach landwirtschaftlicher Nutzung der zu querenden Flächen wird die Überdeckung der Leitung angepasst. Das ist zum Beispiel beim Anbau von Spargel und Wein der Fall. In den letzten Jahren hat sich auch beim Thema Bodenschutzkonzepte eine Menge getan.

Das Thema unserer Zeit ist der Klimaschutz.

Richtig, ein sehr wichtiges Thema. Der Neubau einer Gasleitung ist immer ein Eingriff vor Ort und stößt daher auch auf Ablehnung. Allerdings melden die Energieversorger aus der Region den Bedarf und wir müssen als Transportnetzbetreiber diesen Bedarf decken. Dafür benötigen wir die SEL.

Die Energiewende wird in der öffentlichen Diskussion häufig auf die Stromversorgung aus Erneuerbaren reduziert. Strom macht am Energieverbrauch allerdings nur ein Fünftel aus. Deswegen braucht es umso dringender eine sichere Gasversorgung, um den Energiebedarf vor allem auch im Wärmesektor während des Ausstiegs aus dem Atomstrom und der Kohleverstromung zu decken.

 

Kann die Gasleitung der SEL künftig auch Wasserstoff transportieren?

Zunächst wird die SEL eine Erdgasleitung sein. Der Bedarf an Gastransport wird in den nächsten zehn Jahren um 30 Prozent steigen. Aber natürlich sehen auch wir die Notwendigkeit der Energiewende und wollen unseren Beitrag leisten und künftig statt Erdgas klimaneutrale, grüne Gase und Wasserstoff transportieren. Das kann die SEL leisten. Wir sehen den Bedarf an Wasserstoff in den nächsten Dekaden – auch hierzu gibt es schon erste Erhebungen. Wenn genügend Wasserstoff produziert wird, kann die SEL ihn auch transportieren. Perspektivisch können wir die SEL mit Wasserstoff betreiben, sobald der Bedarf da ist und genügend Wasserstoff produziert wird. Somit ist die SEL auch Teil der Energiewende.

Aber es gibt noch einen weiteren Vorteil: Parallel zur Gasleitung wird ein Glasfasernetz installiert, das durch die Verlegung im sogenannten Schutzstreifen der Leitung besonders ausfallsicher ist. Wir stellen somit die Infrastruktur für ein High-Speed-Netz zur Verfügung.

 

Vielen Dank für Ihre Zeit, Frau Raubenheimer.

Cookie-Einstellungen